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Kathetertraining für die pädiatrische Kardiologie mit pulsierenden 3D-gedruckten Herzen

Eine wirksame medizinische Ausbildung setzt die Fähigkeit voraus, praktische Behandlungen wiederholt durchzuführen. Um ein besonders realitätsnahes Kathetertraining für die interventionelle Behandlung angeborener Herzfehler zu ermöglichen, hat die Klinik für Kinderkardiologie am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München eine neuartige Lösung entwickelt. Sie entwickelten 3D-gedruckte Modelle von Kinderherzen, die mit Herzfehlern behaftet sind. Die neueste Generation der 3D-gedruckten Modelle kann sogar wie ein echtes Herz schlagen. Das klinische Team verwendete das Softwarepaket Mimics von Materialise, um die Herzmodelle zu entwickeln und zu modifizieren.
Die Diagnose und interventionelle Behandlung von angeborenen Herzfehlern bei Kindern mittels Kathetertechnik erfordert nicht nur eine detaillierte Kenntnis der Anatomie. Es erfordert auch die Analyse möglicher Probleme, die notwendigen Schritte zu ihrer Behebung und vor allem ein hohes Maß an Geschicklichkeit bei der Handhabung des Katheters. Das Instrument muss äußerst sensibel durch kleinste Zwischenräume geführt werden, und jeder Eingriff muss sicher sitzen. Zurzeit gibt es jedoch keine realistische Trainingssimulation - weder für Kinderherzen noch für angeborene Herzfehler. Im Gegensatz zu Erwachsenenherzen, für die es zumindest Virtual-Reality-Simulationssysteme für die Behandlung typischer Erwachsenenkrankheiten gibt, finden Ausbildung und Training oder die Operation von Kinderherzen immer noch fast ausschließlich am Menschen statt.
Für Prof. Dr. Nikolaus Haas ist dies eine Situation, die verbessert werden muss. Der Direktor der Klinik für Pädiatrische Kardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin am Klinikum der LMU und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und angeborene Herzfehler e.V. sagt: "Der derzeitige Ansatz des Ausbildungsmodells ist nicht nur zeitaufwendig und abhängig von der Motivation des Ausbilders, sondern auch von den Krankheitsbildern, Verfahren und Technologien, die den Auszubildenden während ihrer Ausbildungszeit präsentiert werden.
"Die Methoden und Instrumente entwickeln sich ständig weiter. Praktizierende Ärzte geraten immer wieder in die peinliche Situation, bestimmte Verfahren und neue Instrumente nicht so sicher zu beherrschen, wie es für die größtmögliche Patientensicherheit wünschenswert wäre.
"Außerdem werden wir gelegentlich unserer lebenslangen Ausbildungsfunktion nicht gerecht, da junge, engagierte Kollegen nicht genügend Möglichkeiten haben, Katheterbehandlungen selbstständig durchzuführen, obwohl unsere langfristigen Ausbildungsrichtlinien dies eigentlich vorschreiben."
Behelfsobjekte wie Tierherzen oder selbst konstruierte Szenarien aus Labormaterialien wie Röhren und Luftballons (die bisher sporadisch verwendet wurden) sind problematisch und wenig zufriedenstellend. Die Ethikkommission muss ihre Verwendung in Tierversuchen genehmigen. Darüber hinaus sind die Organe in der Regel gesund und bieten daher keine Gelegenheit, Eingriffe bei angeborenen Herzfehlern zu üben. Die selbst erstellten Szenarien sind dagegen viel zu unrealistisch für tiefgreifende Trainingsszenarien und können nur als Grundlage für erste, grundlegende Übungen dienen.


Vor diesem Hintergrund wurde am LMU-Klinikum die Idee geboren, 3D-gedruckte Kinderherzen speziell für Trainingszwecke zu entwickeln. Mit Hilfe digitaler Anpassungen kann eine Vielzahl von Modellen mit unterschiedlichen Herzfehlern erstellt werden. Solche an die Ausbildungsziele angepassten Nachbildungen bieten den Ärzten die Möglichkeit, die Behandlung typischer Krankheitsbilder sowie neue Instrumente und Verfahren zu üben. Wenn man dies wiederholt und ohne Risiko tun kann, führt dies zu einem enormen Vertrauenszuwachs. Da die Trainingsmodelle mehrfach verwendet werden können und nicht für jeden Herzfehler ein neuer Patientenscan erforderlich ist, haben sie langfristig einen Kostenvorteil gegenüber patientenspezifischen Darstellungen. Gleichzeitig ersparen sie den jungen Patienten eine unnötige Strahlenbelastung und Sedierung, da für die Herstellung neuer Modelle mit der digitalen Modellierungsmethode keine Patientenscans erforderlich sind.
Vom Rohmodell zum schlagenden Kunstherz
Der Weg zu pulsierenden pädiatrischen Herzmodellen führte über mehrere Generationen von Modellen. Für die allerersten 3D-gedruckten Trainingsmodelle setzte das Klinikteam zunächst Silikonschläuche und -platten zusammen, um eine dreidimensionale, vereinfachte Darstellung des Herzens mit seinen Hauptstrukturen zu erstellen. "Wir haben mit Hilfe der Computertomographie einen 2D-Bildstapel dieser Baugruppe erstellt und daraus ein 3D-druckbares Modell rekonstruiert", sagt Carina Hopfner, die für den 3D-Druck zuständige Ingenieurin am LMU Klinikum. "Um die Bilddaten in ein 3D-Modell umzuwandeln, haben wir die Mimics Innovation Suite von Materialise verwendet, mit der wir die Nachbildung virtuell fertigstellen konnten. Wir haben es unter anderem zum Skalieren, Glätten und Schließen von Oberflächenfehlern verwendet", so Carina weiter. Schließlich wurde das vereinfachte Herzmodell in einem Stück aus einem flexiblen, gewebeähnlichen Material auf Silikonbasis additiv hergestellt.


Um realistischere Nachbildungen des menschlichen Herzens zu erstellen, rekonstruierte das klinische Team pädiatrische Herzmodelle der nächsten Generation aus anonymisierten CT- oder Magnetresonanztomographie-Scans von echten Patienten. Dazu wurde kontrastverstärktes Blut in den 2D-Bildern markiert und dann in ein 3D-Volumen übersetzt, das die innere Oberfläche des Herzens beschreibt. Mimics Innovation Suite wurde verwendet, um ein realistisches Herzmodell zu erstellen, indem die gleichmäßige Dicke um das Blutvolumen, die typischen Hohlräume und die Gefäßstrukturen des Herzens berücksichtigt wurden.
"Wir haben dann das virtuelle Herz auf verschiedene Größen von Kinderherzen skaliert und verschiedene angeborene Defekte hinzugefügt - darunter Löcher in der Herzscheidewand, Gefäßverengungen oder deformierte Strukturen. Dazu haben wir vor allem Werkzeuge aus dem Designmodul von Materialise 3-matic verwendet. Mit der 3D-Drucksoftware, die Teil der Mimics Innovation Suite ist, lassen sich sowohl die gesamte Einheit als auch einzelne Elemente des Modells skalieren sowie Oberflächen, Formen und Wandstärken flexibel und präzise in der gewünschten Weise verändern", betont Carina. In Zusammenarbeit zwischen Medizinern und Ingenieuren wurden die Modelle nach und nach immer realistischer gestaltet. Schließlich wurden die Modelle des Herzens und der großen Gefäße aus dem flexiblen Material gedruckt, das auch für die Modelle der ersten Generation verwendet wurde.
Der letzte Schritt auf dem Weg zur Nachahmung eines echten menschlichen Herzens bestand darin, das künstliche Herz realistisch pulsieren zu lassen. Dazu integrierte das Klinikteam zunächst eine Herzklappe in die vorhandenen statischen Modelle mit Hilfe des Konstruktionsmoduls in 3-matic. Da Herzklappen bei CT-Scans nur ungenau erfasst werden können, fehlten sie zunächst in den Modellen. Die 3D-gedruckten und nochmals optimierten Herzdarstellungen wurden dann von den beteiligten Mitarbeitern an ein geschlossenes, kreisförmiges System aus mit Wasser gefüllten Silikonschläuchen angeschlossen. Ein anschließbarer pulsierender Antrieb simuliert den Herzschlag in Trainingssituationen.


"Materialise Mimics war bei der Umsetzung des Projekts von großem Nutzen. Das Softwarepaket ist bereits die Standardlösung für die Umwandlung medizinischer Bilddaten in 3D-druckbare Modelle, insbesondere für die Erstellung personalisierter Herzmodelle. Insbesondere die darin enthaltene Software 3-matic mit ihren zahlreichen automatisierten und halbautomatisierten Funktionen hilft, bestehende dreidimensionale Modelle effizient zu modifizieren, auch auf der Ebene der Netzdarstellung. Die Möglichkeiten sind wirklich beeindruckend. Ohne die Lösungen von Materialise wäre die Realisierung der Herzmodelle sehr viel schwieriger gewesen", so Carina.
Positives Feedback nach Tests in realen klinischen Umgebungen
Sowohl das statische als auch das pulsatile Kinderherzmodell mit den verschiedenen eingebauten virtuellen Fehlbildungen wurden im Rahmen eines Forschungsprojekts zur Ausbildungspraxis in verschiedenen realen klinischen Umgebungen in Deutschland und Österreich getestet. Zu den Kliniken gehörten das LMU Klinikum und das Kinderherzzentrum der Medizinischen Universität Wien. Außerhalb Europas fanden im Ayder Referral Hospital der Universität Mekelle in Äthiopien umfangreiche praktische Tests mit statischen Nachbildungen statt. Mit ihren technologischen Herausforderungen und den anspruchsvollen Ausbildungsbedingungen für das Personal ist die Einrichtung ein guter Maßstab, um die universelle, einfache Anwendung dieser 3D-gedruckten Herzmodelle zu testen.
"Die Rückmeldungen aus den bisherigen Workshops für Studenten, Assistenzärzte und erfahrene Kinderkardiologen mit den 3D-gedruckten Herzmodellen waren überwältigend positiv", so Prof. Dr. Haas. "Die erfahrenen Spieler betonen unter anderem den realistischen Charakter der Nachbildungen, einschließlich der haptischen und anatomischen Nachbildung sowie der prozeduralen Simulation der Eingriffe. Ich kann diese positive Feststellung bestätigen. Ganze Interventionsteams können Vertrauen in diese Katheteranwendung unter realistischen Bedingungen gewinnen".
Universitätsprofessorin Dr. Ina Michel-Behnke vom Kinderherzzentrum Wien belegt den Nutzen: "Wir haben unsere Studenten und Doktoranden, die nicht regelmäßig an Eingriffen beteiligt sind, vor Ort in den Katheterlabors an den 3D-Herzmodellen geschult und konnten eine rasche Verbesserung der Handhabungsfähigkeiten sowie eine Verkürzung der Eingriffsdauer und der Strahlung feststellen. Die angehenden Kinderkardiologen fühlten sich viel wohler bei ihren ersten Patientenfällen, nachdem sie durch dieses Modul der interventionellen Ausbildung an diese herangeführt wurden, und waren sehr erleichtert, dass sie die Strahlendosis für ihre Patienten niedrig halten konnten."


Für Prof. Dr. Haas sind die neuen Herzmodelle bahnbrechend: "Aufgrund der zahlreichen Vorteile, die mit solchen 3D-gedruckten Modellen verbunden sind, bin ich der Meinung, dass die Ausbildung an ihnen ein fester Bestandteil der Ausbildung in der Kinderkardiologie sein sollte. Sie können in jedem Krankenhaus, das über ein Herzkatheterlabor verfügt, ohne großen finanziellen und technischen Aufwand regelmäßig geschult werden. Dadurch werden Handbewegungen und Abläufe schneller und besser verinnerlicht."
L-102507-01
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