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Zur Lage des Gesundheitsmarkts 2020: Trends im 3D-Druck am Point-of-Care

4 Min. Lesezeit

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3D-Druck wird zunehmend durch Krankenhäuser und Kliniken genutzt. In Anbetracht dessen, dass die Technologie leichter zugänglich wird und die Vorteile für Ärzte und Patienten immer stärker zu Tage treten, entscheiden sich jetzt mehr Krankenhäuser dafür, in ihre 3D-Druck-Infrastruktur zu investieren und damit als Wegbereiter für die individuell abgestimmte medizinische Versorgung zu agieren. Wir bewerten die 4 Markt-Highlights aus 2019 und werfen einen Ausblick auf 2020.

Mit 3D-Druck am Point-of-Care ist die Einrichtung von 3D-Druck-Anlagen im Einzugsbereich des Krankenhauses gemeint, sodass 3D-Druck und medizinische Versorgung in unmittelbarer Nähe zueinander stattfinden. Die häufigste Anwendung ist die Erstellung von anatomischen Modellen aus Bilddaten der Patienten (CT oder MRI) als Hilfsmittel für die Planung vor Eingriffen, für die Kommunikation mit den Patienten und für Simulationen zu Übungszwecken. Hiervon profitieren alle Beteiligten: Patienten, medizinisches Personal und die Gesundheitseinrichtung. 

Weltkarte mit der Anzahl der Krankenhäuser, die 3D-Druckanlagen von Materialias verwenden: USA/Kanada 113, Südamerika 9, UK 31, EU 48, China 24, Japan 34, Australien 9
Abbildung 1 - Krankenhäuser, die Mimics von Materialise in ihren 3D-Druck-Einrichtungen verwenden. Zuletzt aktualisiert im Januar 2019.

Wir beobachten weiterhin, dass zusätzlich zu den Krankenhäusern, die in den Ausbau ihrer bereits vorhandenen Einrichtungen investieren, auch immer mehr Krankenhäuser neu in den 3D-Druck einsteigen, und zwar in dem Maße wie Vorteile bekannt werden und die Nachfrage steigt. Dies betrifft sowohl das Prozessvolumen als auch die Bandbreite der Anwendungen. Die Auswirkungen sind global, wie in Abbildung 1 zu sehen ist, wobei in den Märkten Europas und Asiens eine zunehmende Akzeptanz des 3D-Drucks zu beobachten ist.

Auch die stetig steigende Zahl an wissenschaftlichen Belegen für den klinischen und finanziellen Nutzen des 3D-Drucks am Point-of-Care spiegelt das Marktwachstum wieder. Im Jahr 2019 erreichte die Anzahl der in PubMed verfügbaren Artikel, in denen es um 3D-Druck ging, einen neuen Höhepunkt, wie nachstehend in Abbildung 2 zu sehen ist. Der Umfang des Beweismaterials wächst weiter, sodass etwa ein vor Kurzem von Ballard et al. veröffentlichter Übersichtsartikel eine Einsparung an Operationszeit von durchschnittlich 62 Minuten pro Fall sowie eine Kostenersparnis von 3.720 $ pro Fall dadurch begründet, dass per 3D-Druck erstellte anatomische Modelle zur Vorbereitung der orthopädisch-chirurgischen Eingriffe und der Gesichtschirurgie verwendet wurden1.

Balkendiagramm, das die steigende Zahl veröffentlichter Artikel zum medizinischen 3D-Druck von weniger als 500 im Jahr 2009 auf über 3000 im Jahr 2019 zeigt.
Abbildung 2 - In den letzten zehn Jahren veröffentlichte Artikel zur Anwendung des 3D-Drucks in der Medizin. Quelle: Pubmed.

4 Markthighlights aus dem Jahr 2019

1. Einführung von Abrechnungscodes in den USA

In den USA sind nun Abrechnungscodes der Kategorie III CPT für den 3D-Druck erhältlich. Für einzeln erstellte anatomische Modelle sind die Codes 0559T und 0569T verfügbar, während die zusätzlichen Codes 0561T und 0562T für per 3D-Druck erstellte, aus Patienten-Bilddaten abgeleitete, anatomische Schablonen gelten. In einer ersten Phase werden die Abrechnungscodes nicht mit einer Zahlungsgarantie verbunden sein, sondern zur Erhebung der notwendigen Daten aus den Märkten dienen, um die Erschließung weiterer Vergütungsmöglichkeiten für den Einsatz des 3D-Drucks in der Klinik abzuleiten. 

2. Register klinischer 3D-Druck-Daten durch die Radiological Society of North America (RSNA) und das American College of Radiology (ACR) angekündigt

Führende Gesellschaften für Radiologie haben die Einrichtung eines neuen Registers zur Sammlung von Daten angekündigt, die Aufschluss über die klinischen Vorteile und die angemessene Nutzung des 3D-Drucks geben sollen. Materialise hat gemeinsam mit den Partnern Formlabs, Stratasys und HP uneingeschränkte Studienförderungen zur Finanzierung des Registers gewährt. 

“Als Nischenanwendung werden medizinische Modelle und chirurgische Schablonen bereits seit deutlich mehr als einem Jahrzehnt per 3D-Druck erstellt – ohne CPT-Codes. Anbieter medizinischer Leistungen im Bereich der kranio-maxillofazialen Chirurgie erkennen beispielsweise allgemein den 3D-Druck als wertvolles, für die Versorgung der Patienten unverzichtbares Hilfsmittel an“, sagt Frank Rybicki, MD, PhD, FACR, Vorsitzender des Committee on Appropriateness Criteria (Komitee für Angemessenheitskriterien) des American College of Radiology (ACR) und Gründungsvorstand der Interessengemeinschaft für 3D-Druck der Radiological Society of North America (RSNA). 

"Im Zuge der Beantragung von CPT-Codes wurde jedoch deutlich, dass es bei dieser ‚allgemeinen Anerkennung’ an durch Fachkollegen begutachteter Literatur als belastbaren Nachweis für den Wert der Technologie fehlte. Das Register wird die als Maßstab für dieses Spezialgebiet benötigten Daten liefern.” 

3. Neue Hardware für den 3D-Druck und Materialien für die anatomische Modellierung

Materialise hat gemeinsame Projekte sowohl mit HP als auch mit Formlabs durchgeführt, um nachzuweisen dass bestimmte neue Drucker und Materialien mit der durch die FDA zugelassenen Software Materialise Mimics kompatibel sind. Mit dem neuen Drucker JF 580 von HP ist der 3D-Druck in Vollfarben möglich, und Formlabs hat mit dem Form3 und dem Form3B Neuauflagen ihres beliebten Desktop-Geräts herausgebracht, das auf einem Stereolithographie-Verfahren basiert.

Das Innere eines 3D-gedruckten Herzmodells
Mit dem HP Jet Fusion 580/380 ausgedrucktes anatomisches Modell in Vollfarbe.

4. Wachsendes Interesse an 3D-Druck bei Mitgliedern medizinischer Gesellschaften 

Seit der Gründung der 3D Printing Special Interest Group (SIG, Interessensgemeinschaft für 3D-Druck) der RSNA durch Dr. Frank Rybicki im Jahr 2015 ist die Zahl der Mitglieder kontinuierlich gestiegen. Inzwischen tragen international mehr als 500 Vertreter zu den Fortschritten auf dem Gebiet bei. Vor Kurzem hat die Society for Cardiac Magnetic Resonance (SCMR, Gesellschaft für kardiale Magnetresonanztomographie) eine vergleichbare Arbeitsgruppe aus Experten für kardiale Bildgebung gegründet, die sich ebenfalls für die Förderung der klinischen Nutzung von 3D-Technologie einsetzen. 

Diese 4 Themen sind im Jahr 2020 wichtig

1. Das Jahr der COVID-19-Krise

Es ist zu erwarten, dass sich die COVID-19-Krise noch für den größten Teil des Jahres 2020 fortsetzen und die Gesundheitssysteme in aller Welt stark belasten wird. Krankenhäuser, die 3D-Druck-Labore unterhalten, werden die Gelegenheit ergreifen, diese Ressource auf neue Weise zu nutzen und als Hilfsmittel in der Krise einzusetzen. Labore, die bisher anatomische Modelle für die Operationsplanung gedruckt haben, werden neue Schwerpunkte setzen, um Knappheiten z. B. bei Schutzausrüstungen und lebenserhaltenden Geräten entgegenzuwirken.

2. Stärkere Integration des 3D-Drucks in klinische Arbeitsabläufe

Es besteht eine weit verbreitete Akzeptanz des DICOM Encapsulated STL-Standards, dank dessen 3D-Druck-Dateien einfach in der PACS-Bildverwaltung der Krankenhäuser archiviert und mit den Krankenakten verknüpft werden können. In Mimics 23, welches dieses Jahr noch herauskommt, wird der neue DICOM-Standard bereits berücksichtigt sein.

3. Vermehrte Nutzung von Extended-Reality Geräten

Technologien aus dem Bereich der erweiterten (AR) und der virtuellen Realität (VR) werden weiterhin ergänzend zu den Einsatzmöglichkeiten des 3D-Drucks untersucht. Dabei fungieren sie zunächst als Hilfsmittel für die Visualisierung und für Schulungen, unterstützen aber letztlich die Operationsplanung und die intraoperativen Abläufe. Antrieb für Wachstum werden hier die Fortschritte im Bereich der Hardware sowie dedizierte Softwareanwendungen sein.

Laut Jesse Courtier, Kinderradiologe an der University of California, San Francisco: “Ich denke, dass die AR eine Ergänzung zum 3D-Druck darstellt, da sie sich auf kostensparende und umweltfreundliche Weise für Methoden wie das Rapid Prototyping und die iterative Modelloptimierung einsetzen lässt. Die Modelle können immer wieder in lebensgroßem anatomischem Maßstab überprüft und angesehen werden, wobei einige der Einschränkungen wegfallen, denen physische Modelle unterworfen sind (Schwerkraft, Dicke, Größe des Druckers, Kosten). Außerdem bietet die AR die Möglichkeit der Remote-Zusammenarbeit durch Teilen der 3D-Modelle mit Kollegen, ohne dass die Erstellung physischer Modelle erforderlich ist.”

Ich glaube, dass AR den 3D-Druck ergänzt, indem es ein schnelles Prototyping und eine iterative Modellverbesserung auf wirtschaftliche und umweltfreundliche Weise ermöglicht.

— Dr. Jesse Courtier, Pädiatrischer Radiologe an der University of California, San Francisco.

4. Zusätzliche regulatorische Klarheit in der Europäischen Union und in den USA

Die Auswirkungen der neuen Verordnung für Medizinprodukte der EU auf die Hersteller vor Ort sind ungewiss. In den USA fördert die FDA (Behörde für Lebens- und Arzneimittel) weiterhin den Dialog mit Interessenvertretern mit dem Ziel, geeignete Leitlinien für die sichere und wirksame Nutzung des 3D-Drucks am Point-of-Care festzulegen. Im Laufe des Jahres 2020 werden die Richtlinien in Bezug auf den 3D-Druck eine klarere Form annehmen. 

Literatur
1.    Ballard et al., Medical 3D printing cost-savings in Orthopaedic and Maxillofacial Surgery, Academic Radiology, 2019.
2.    Khan, Rybicki & Weadock, RSNA and ACR to Collaborate on Landmark Medical 3D Printing Registry, https://www.rsna.org/en/news/2019/August/3D-Printing-Registry, 2019. 
L-101080-01


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